Die Anzeichen verdichteten sich immer mehr und langsam wurde es unausweichlich. Also verließ ich am Abend die schützende Wohnung und fuhr hinaus in eine ungewisse Nacht. Es war der letzte Sonntag im Juli und mein Ziel unser Kleingarten. Sie nennen es ‚Overnighter‘.

Eigentlich war ich nie der große Outdoor-Typ und meine letzte Campingerfahrung muss etwa 2014 auf einem Festivalzeltplatz gewesen sein. Wurfzelt, große Isomatte und Discounterschlafsack. Nichts, was man mal so an ein flinkes Fahrrad schnallt. Aber spätestens seit eben jenes flinke Fahrrad mir so viele Stunden meiner Freizeit versüßt, flackerten auch unzählige Bikepacking und Ultracycling Videos, Fotos und Texte über meinen Bildschirm. Unvorstellbare Strecken auf dem Fahrrad sitzen, dann für ein paar Stunden unter einem Vordach zu schlafen bevor es weiter geht. Wilde Landstriche erkunden und am Abend das Zelt vor atemberaubender Kulisse aufschlagen. Alles verwebte sich zu einem verlockendem Bild von willkommener Abwechslung und Freiheit. Mein Unterbewusstsein recherchierte schon nach Zelten und Lagerplätzen. Aber so alleine? Und hunderte von Euro ausgeben und es dann doch doof finden?
Es ist dann schneller soweit gewesen als erhofft und anders als gedacht. Ich packte mein Rad und fuhr raus aus der Stadt. Aue, Buga, Wahlebach und die alte Söhrebahntrasse hinaus in den Söhrewald. Vertrautes Terrain. Immer wieder schön. An der Warpelhütte vorbei über den Berg und wieder hinunter zur Fulda. Mit möglichst viel Grün durch die Stadt bis zum Kleingarten. Statt zehn Minuten fast zwei Stunden bis dorthin. So schnell lässt sich Abstand zum Alltag schaffen. Die Hängematte wartete schon in der Gartenhütte. Eine Öse zum Aufhängen hatte ich noch am Vortag montiert. Das Vordach sollte vor Niederschlag, die Hütte selbst vor Westwind schützen. Mit einem vorhergesagtem Tiefstwert von 15 °C sollte es auch von unten nicht zu kühl werden. Also noch eine schnelle runde durch den Garten, Schlafsack auspacken, Zähne putzen und ab in das gemütliche Nest.
Es ist noch nicht lange her, das ich regelmäßig aus Hängematten gefallen bin. Aber an so manchen Nachmittagen hatten wir uns mittlerweile aneinander gewöhnt, die Hängematte und ich. Die Sonne ging unter, der Wind legte eine Pause ein und auch ich schlummerte tatsächlich ein. Nicht besonders lange, die Blase meldete sich. Also erstmal raus und anschließend vor allem wieder in den Schlafsack reinwurschteln. Gegen vier Uhr das ganze Spiel noch einmal. Dazu der wohl lauteste Güterzug meines Lebens. Dazwischen immer mal ein Blick in den bewölkten und vom Lichtsmog erhellten Himmel. Der Wind kam wieder und auch ein paar Tropfen Regen habe ich zwischenzeitlich gehört. Aber unter dem Vordach blieb alles trocken und windgeschützt. Der 0 °C Schlafsack erwies sich als ehr zu warm als zu kalt. Kein Vogelkonzert zum Sonnenuntergang. Kein Hase. Kein Igel. Keine Glühwürmchen.
In meinem Kopf gab es das romantische Bild, dass ich vom ersten Sonnenstrahl aus dem erholsamsten Schlaf meines Lebens geküsst werde. Dann eine schnelle Runde durch Dönche und Bergpark, beim Bäcker vorbei und gegen 6:30 Uhr die Familie mit frischen Brötchen beglücken. Sonnenstrahlen sollte es den gesamten Tag keine mehr geben. Und als ich aufwachte hätte ich einfach noch den gesamten Tag müde in der Hängematte liegen bleiben können. Wind. Leichter Niesel. Acht Uhr! Also schnell raus aus dem Nest, alles wieder zusammen packen. Auf direktem Weg zum Bäcker und zurück nach Hause. In Summe: Sehr gerne wieder!
Ausrüstung
Ich habe mich besonders gefreut das kleine Abenteuer mit vorhandenen Mitteln umsetzen zu können. Schlafsack und Hängematte stammten von meiner Frau, der Rest war sowieso für (Tages-) Touren vorhanden. Der Schlafsack hat sehr knapp in einen 10 l Packsack gepasst und so konnte ich endlich den Upcycling-Seat-Harness austesten. Noch nicht perfekt und mit Oberschenkelkontakt aber für diesen Test völlig ausreichend. Nach der Tour konnte ich mich, bis auf die (Unter-) Hose, komplett umziehen und hatte so auch im Schlafsack eine frische und bequeme Schicht Merino von oben bis unten.
Da Abendessen und Frühstück einfach zuhause erledigt wurden, brauchte es auch keinerlei Kochutensilien.
Keine Lust auf Hängematte? Zelt besorgen. Keine Gartenhütte? Wie wäre es mit einem Trekkingplatz im Habichtswald? Also ab aufs Rad!
