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Wald-, Wiesen- und Lastenradler. Kassel.

Bikesitting: Grenzgänger Wanderweg

Bikefitting? Nein, Bikesitting! Ich hüte das Hardtail eines Freundes und war auf der Suche nach einer passenden Route für die erste Testrunde. Wieso also nicht der Rundwanderweg der schon länger auf der To-Do Liste stand?

Der gut 10 km lange Grenzgänger-Wanderweg führt von Trappstadt aus an die ehemalige innerdeutsche Grenze und auf dem alten Kolonnenweg entlang. Es gebt einen Rest DDR-Grenzzaun zu sehen, Infotafeln zur Geschichte und auch wieder Spuren der Kelten zu entdecken. Und das alles in einer, wie ich schon zum Grabfeld-Gravel geschrieben habe, äußerst reizvollen Landschaft.
Der Weg selbst ist, alleine durch die Länge, nicht anspruchsvoll. Man ist vorwiegend auf befestigten Wegen unterwegs, wobei der Kolonnenweg einen auch mit dicken MTB-Reifen stellenweise mehr durchrütteln kann als so mancher Singletrail. Dazu gibt es zwei knackige Steigungen im zweistelligen Bereich. Zuerst hinauf zur bayerisch-thüringischen Grenze und kurz darauf im Anschluss auf dem Kolonnenweg. Mit der MTB-Übersetzung problemlos zu treten, schwieriger war es, die Bodenhaftung am Vorderrad und den Kurs im Gelände nicht zu verlieren.

Am ersten steilen Anstieg ist mir auch eine weitere lokale Spezialität begegnet: Die Niederwaldwirtschaft. Dabei wird alle 25 Jahre ein Waldstück bis auf wenige Einzelbäume vollständig durch die soggenanten Rechtler gerodet. Rechtler sind die Eigentümer alter Häuser und Hofstellen im Ort. Und mit diesen Höfen ist das Recht auf ein Stück Wald zur Brennholzgewinnung verbunden. So wird in jedem Jahr ein Stück Wald in Parzellen unterteilt und diese, per Los, an die Rechter verteilt. Auf jeder dieser Parzelle müssen sieben Bäume stehen bleiben und der Rest wird, zum Eigenbedarf, zu Brennholz verarbeitet. Das anfallende Reisig wird zwischen den Parzellen aufgeschichtet und verbleibt im Wald. Diese Todholzstrukturen und die unterschiedlichen, nebeneinanderliegenden Sukzessionsstadien bieten dann einen äußerst vielfältigen Lebensraum für Tiere und Pflanzen.


Nach dem zweiten Anstieg, diesmal auf dem Kolonnenweg, geht es hinab zum übriggebliebene Grenzzaun. Angeblich wurde der einfach vergessen. Eine Infotafel informiert über den gesamten Aufbau der damaligen Grenzanlagen. Ich finde soviel Aufwand für eine menschenverachtende Infrastruktur beeindruckend und erschreckend zugleich. Bevor ich den Spanshügel, von der falschen Seite, erklimme füge ich der Wanderroute noch einen Abstecher nach Leitenhausen hinzu. Aber das ehemalige Rittergut Leitenhausen gibt es heute nicht mehr. Nach dem zweiten Weltkrieg wurden dort noch Geflüchtete untergebracht um die Ländereien zu bewirtschaften, aber 1972 wurde die letzte Familie deportiert und der Ort geschliffen. Heute findet man dort eine Gedenktafel und etwas abseits den Friedhof. Ein Abstecher dorthin lohnt sich auch für den Weitblick bis zur Veste Heldburg. Noch mehr Weitblick gibt es vom Spanshügel. Leichter ist der Aufstieg von der anderen Seite, lohnen tut er sich so oder so. Das gesamte fränkische Grabfeldgau bis zur Rhön liegt einem zu Füßen.


Wieder unten angekommen geht es entspannt auf dem Kolonnenweg weiter. Glücklicherweise in der ungelochten Version. Die dicken Reifen machen die Übergänge zwischen den Betonplatten trotzdem erträglicher und auch Ausflüge in den grünen Mittelstreifen möglich. An der Straße zwischen Trappstadt und Linden ist der Spaß dann quasi auch vorbei und es geht zurück zum Ausgangspunkt.
Wie bereits auf dem Grabfeld Gravel hat mir das Fahrrad auch auf dem Grenzgänger meine alte Heimat aus neuen spannenden Perspektiven gezeigt. Nun warte ich darauf, auch Nordhessen mal vom MTB aus zu betrachten.