Nach zahlreichen Überlegungen welches Ding es unbedingt noch braucht und nachdem unvernünftig viele Euro über virtuelle und reelle Ladentheken gingen bin ich endlich zu meinem ersten wirklich richtigen Overnighter aufgebrochen. Ziel war der Trekkingplatz Läuseküppel im Naturpark Habichtswald.
Die Anreise
Nach dem Abendessen mit der Familie zog ich die Regenjacke an und stieg auf das bereits am Vormittag gepackte Rad. Denn Regen war an diesem Tag genau für die Stunden angesagt, in denen ich unterwegs sein wollte. Am Westfriedhof vorbei und am oberen Rand der Dönche in Richtung Brasselsberg. Und schon auf den ersten Metern und noch mitten in der Stadt fühlte sich das ganze ziemlich gut und ein wenig wild an. Man sitzt auf dem Rad und hat alles dabei um durch die Nacht und bis zum Mittagessen am nächsten Tag zu kommen. Theoretisch an den nächsten schönen Bäumen mitten im Wald. Stark.
Das kurze Stückchen Schotterweg zwischen Autobahn und Elgershausen freut mich sowieso immer. Und als ich durch Elgershausen rollte dachte ich kurz, ich komme sogar trocken am Ziel an. Aber dann konnte ich schon sehen, wie die Langenberge schon fast im Regen hingen. Wie im Bilderbuch bog ich rechts ab und wenige Augenblicke später sah ich, wie mir der Regen vom Berg entgegenkam. Die schöne Abfahrt der letzten Tour de Forêt Runde diesmal also bergauf und im Regen. Unterwegs zweifelte ich, ob der G-ONE RS als Sommerbereifung am Hinterrad doch zu wenig Biss hat. Ich entschied aber, dieser Sommer ist einfach zu nass und kühl. Es war ein ernsthafter Schauer, aber bis ich oben war, war schon alles wieder vorbei.






Die Abfahrt begann mit meinem Lieblingsabschnitt der Tour de Forêt Strecke aus dem Mai. Geplant hatte ich das interessanter weise schon bevor ich dieses Stück jemals gefahren bin. Und auch wenn ich Höhenmeter häufig noch scheue lohnt sich die Plackerei doch meistens. Diesmal wurde der rasanten Abfahrt durch die untergehende Sonne noch das Sahnehäubchen mit Kirsche aufgesetzt. Anschließend ging es mit Blick auf Niedenstein und den Hessenturm durch den Wald in Richtung Sand. Die tieferstehende Sonne tauchte das Emstal in zauberhaftes Licht. Ein Schlenker durch den Ort um am Friedhof die Flaschen auf zu füllen und nichts wie rauf zum Läuseküppel.







Die Nacht
Kurz vor 21 Uhr kam ich an. Eine gute halbe Stunde vor Sonnenuntergang. Besichtigt hatte ich den Trekkingplatz schon im vergangenen Jahr auf der Tour mit Mario Schön. Zurückgezogener gelegen als Brederich und kein Autobahnlärm wie im Firnsbachtal fiel meine Wahl auf den Läuseküppel. Ein kurzer Blick auf Kompass und Wetterbericht entschied die Auswahl der Hängemöglichkeiten. Gegen Westen das Tarp etwas tiefer, gegen Osten etwas höher in der Hoffnung auf Morgensonne auf der Nase. Der Aufbau von Hängematte und Tarp an den dafür vorgesehenen Säulen funktionierte gut. Eine kurze Visite auf dem „Gipfel“ und ein Äpfelchen als Betthupferl. Wie gut der Berg und die Bäume den Westwind abschirmten, bemerkte ich erst als ich noch einmal die Stichstraße hinunter zum Waldrand ging. Da blies ein Wind!


Der Wind blies bis tief in die Nacht und machte in den Baumkronen ganz schönen Radau. Eins, zwei kleinere Äste gingen wohl zu Boden. Drei Flugzeuge waren am Himmel zu hören und auch mal ein Auto aus der ferne. Unterm Tarp und hinter dem Mückennetz blieb es ansonsten Ruhig und gemütlich. Quasi kein Zivilisationslärm. Durch den Wind aber auch eine unheimlichen Geräusche aus dem Wald. Überhaupt hatte ich mir das Übernachten in der Natur aufregender vorgestellt. Aber mit so einer Hängematte lässt sich ein prima Nest bauen. Wirklich gut einschlafen konnte ich trotzdem nicht. Aber das klappt bei mir in der ersten Nacht außer Haus selten gut. Egal ob Hängematte oder Hotelbett.
Am Morgen wachte ich das erste mal kurz nach fünf Uhr zum Sonnenaufgang auf. Viel zu Früh, zu wenig Schlaf und auch die Sonne versteckte sich noch hinter den Wolken. Gegen 8 Uhr lockte mich die Sonne dann aber doch aus der Hängematte. Meine Kleider vom Vortag hatte ich zum lüften auf der Ridgeline der Hängematte geparkt. Die Sonnenseite des Tarps klappte ich hoch um allem noch ein wenig Luft und Sonne zu gönnen. Als erstes Frühstück hatte ich mir am Vorabend Overnight-Oats angerührt. Keine schlechte Idee, in der Rezeptur noch ausbaufähig. Für den Start in den Tag aber wichtig, denn vor den ersten Bissen am Morgen befindet sich meine Laune häufig im Sinkflug. Ich sortierte mich und meine sieben Sachen, stopfte alles zurück in die Packsäcke und machte mich gegen 9 Uhr auf den Rückweg.




Um für diese Tour alles unterzubringen, habe ich eine Satteltasche von VAUDE gemietet. Neben Fahrradtaschen gibt es auch Zelte, Schlafsäcke und Isomatten im Angebot. Eine gute Variante, wenn man ohne große Investitionen Bikepackingluft schnuppern möchte. Drei Tage Satteltasche einschließlich Porto kosteten Beispielsweise 17,90 €. Bei längerer Mietdauer gibt es Staffelpreise. In Fall landete die Satteltasche bereits eine Woche vor Mietbeginn in der Packstation. Perfekt um ganz in Ruhe alles aus zu Testen. Gleich bei der ersten Testladung löste sich jedoch eine Schnalle auf. Freundlicher und schneller Mailkontakt mit dem VAUDE Service und zwei Ersatzschnallen machte sich auf den Weg. Für die Rücksendung der Tasche lag das Versandlabel bei.
Auch bei Globetrotter oder Paceheads kann man Bikepacking Ausrüstung mieten.
Die Abreise
Der Hessencourrier-Radweg zwischen Sand und Martinhagen ist eine sehr schöne Gravel-Piste. Klare Empfehlung! In Martinhagen war eine Bäckerei Ludwig auf der Karte verzeichnet wo ich eigentlich einen Frühstücksstopp einlegen wollte. Die Bäckerei Ludwig scheint aber leider Geschichte zu sein. Kein Problem, dachte ich, denn da war ja noch Bäckerei Meyer in Breitenbach. Und direkt auf dem Weg noch der Friedhof für frisches Wasser. Der Friedhof war da. Bäckerei Meyer nicht. Somit mussten die beiden Notfallriegel für den anstehenden Hochpunkt der Rückreis ausreichen.









Als Zwischenziel hatte ich den Burgberg ausgewählt. Bereits kurz hinter der Grillhütte stieg ich ab und schob über den Wiesenweg. Die erste Treppe nach oben habe ich so zufällig umgangen. Ich befand mich auf der Strecke des Habichtswaldsteigs und des Kasselsteigs als ich das Rad die zweite Treppe hinauf schob. Noch dachte ich, das Rad kommt auch bis ganz nach oben. Vor der dritten und letzten Treppe kapitulierte ich aber und ging alleine weiter. Die Aussicht oben ist wirklich beeindruckend. Ich glaube, man kann sogar bis zum Läuseküppel zurückschauen. Noch einen digitalen Stempel für den Mittelgebirgsstürmer eingesammelt und wieder raus aus dem Wind. Meine Abfahrt vom Burgberg brachte dann das kleine bisschen Abenteuer am Morgen. Zwischen Brennnesseln und über Wiesen ging es hinunter nach Hoof.











Während die Geräusche der Zivilisation am Läuseküppel kaum wahrzunehmen waren, machte spätestens ab dem Burgberg die Autobahn wieder ohne Gnade auf sich Aufmerksam. Es ist wirklich schade, wie im Firnsbachtal und um den Hirzstein ein so schöner Flecken Erde so verschmutzt werden kann. Die beiden Trailpassagen der MTB-Route „Um das Habichtsspiel“ sorgten zumindest für etwas Ablenkung. Auf dem Weg in Richtung Bismarkturm gab es auch noch den Quoten-Baum auf dem Weg. Mutmaßlich ganz frisch aus der vergangenen Nacht. Ohne Frühstück und in Anbetracht der Uhrzeit sparte ich mir den Abstecher zum Bismarkturm. Über den Zecke-Marie-Weg, die Dönche, am Westfriedhof und dem Waldgarten vorbei ging es zurück nach Hause. Zeit für die Dusche und das Mittagessen.





Ich müsste Lügen, um zu sagen, dass ich erholt nach haus kam. Trotzdem möchte ich die Kombination Fahrrad und Hängematte unbedingt wiederholen und auch ausdehnen. Vielleicht ein ganzes Wochenende mit einer weiteren Übernachtung auf einem der Trekkingplätze im Kellerwald. Überhaupt möchte ich die Gegend im Süd-Westen von Kassel weiter erkunden. Für die gängigen Vormittags- und Feierabendtouren ist es leider zu weit. Eine Tagestour zum Edersee und zurück klingt aber sehr verlockend.