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Wald-, Wiesen- und Lastenradler. Kassel.

Vom Winter

Viele Räder verschlafen das Winterhalbjahr vermutlich im Keller oder der Garage. Und es ist noch nicht lange her, da habe auch ich im Winter mein Fahrrad gegen die Straßenbahn getauscht. Aber es ist mindestens einen Versuch wert, sich auch im Winter auf das Rad zu setzen. Denn man kann nur Gewinnen.

Mindestens eine neue Erfahrung. Diese machte ich im Winter nachdem unser Sohn zur Tagesmutter kam. Da musste das Kind schließlich hin. Egal ob Sonne, Regen oder Schnee. Und überraschend war es gar nicht so schlimm im Winter auf dem Fahrrad. Ernsthaft geregnet hat es deutlich seltener als gedacht. Und wirklich lange sowieso selten. Gegen Kälte konnte man sich einfach warm einpacken. Und wo gibt es denn noch Schnee?

Eines Sommer ist dann mein Gravelbike zu mir gekommen. Ein warmer und trockener Sommer. Mit dem verschwitzten Baumwollshirt in den Sonnenuntergang radeln? Kein Problem! Auch das vollends ausgebrochen Fahrradfieber ist so nicht direkt aufgefallen. Aber dann kam der Winter Herbst. Im verschwitzen Baumwollshirt wurde es langsam kalt. Die Lust zum Radfahren war jedoch ungebremst. Das einzige Stück Funktionsbekleidung in meinem Besitz? Eine alte Regenjacke die mehr Wasser rein als raus lässt. Nicht besonders prickelnd zum Radfahren. Es musste was passendes zum anziehen her. Nicht zu teuer. Nicht zu eng. Nicht zu hässlich. Nicht zu billig. Und möglichst nicht von kleinen Kinderhänden im Sweatshop zusammen genäht. Und was überhaupt? Der Jahreszeitenwandel war meinen Einkäufen immer ein kleines Stück voraus, aber das akute Fahrradfieber brachte eine gewisse Leidensfähigkeit mit sich. Und so hat sich auch das „Spaß-an-der-Freude“ Radeln durch den ersten Winter gezogen.

Und der Gewinn, wenn man bei nebeligen 5 °C durch den Matsch fährt? Unbezahlbar. Nach meiner Erfahrung ein enormer Gewinn für die physische und vor allem psychische Gesundheit. Ein Ausgleich zum Alltag in stickigen und überheizten Innenräumen. Auch mal ein Schritt aus der Komfortzone. Den Wandel der Jahreszeiten viel direkter und am eigenen Körper spüren. Und zu Zeiten an Orten sein, wo zumindest ich schon sehr lange nicht mehr war.

Der zweite Winter gestaltet sich schon deutlich einfacher. Aus den im Vorjahr gekauften Kleidungsstücken lassen sich, glücklicherweise, Outfits für eine große Bandbreite an Witterungen zusammenstellen. Die großen Fehlkäufe habe ich, wohl mit mehr Glück als Verstand, umschifft. Am schwierigsten finde ich es noch, mich nicht zu warm an zu ziehen. Denn der Schweiß ist im Winter immer irgendwie doof. Was nass ist wird kalt und auch nicht so schnell trocken wie im warmen Sommerwind. Deshalb ziehe ich unter 10 °C mittlerweile eine reine Kunstfaser einem Mischgewebe auf der Haut vor. Zu Weihnachten ist noch eine wirklich gute, wind- und wasserdichte, atmungsaktive, leichte und packbare Jacke dazu gekommen. Diese möchte ich bereits jetzt nicht mehr missen und sie macht das Winterradeln noch einmal angenehmer. Aber es ging auch ohne solchen Luxus.

Mir ist bewusst, dass ich mich in einer sehr komfortablen Position befinde. Wenn es wirklich soweit kommt das Radfahren nicht mehr sicher möglich ist, lassen sich meine Alltäglichen Wege einfach zu Fuß erledigen. Oder mit der Straßenbahn. Menschen die vielleicht 15 km Arbeitsweg haben, keine brauchbare ÖPNV-Anbindung, pünktlich zu Schichtbeginn eintreffen müssen… Tja, für die rechnen sich wohl gute Kleidung und Winterreifen besonders.

Zum Schluss noch ein Video das mir als blutigen Anfänger einige gute Gedanken zum Thema mitgegeben hat.