Vor einiger Zeit bin ich darauf gestoßen, dass das Gran Fondo Magazin im Naturpark Haßberge unterwegs war und auch der Naturpark selbst Gravelrouten anbietet. Ich hatte diesmal Zeit und Rad, konnte eine der Touren direkt vor der Haustür starten und so die alte Heimat aus neuen Perspektiven erfahren.
Es dauerte nicht lange bis ich kurz vorm Fluche war. Denn nicht nur die spektakulären Neuentdeckungen sondern auch der Schottern ließen lange auf sich warten. Aber stattdessen fasste ich den Entschluss eine verbesserte Route zu erarbeiten. Mehr Natur. Mehr Kultur. Mehr Geschichte. So empfehle ich nach Trappstadt direkt einen Abstecher in das Naturschutzgebiet Altenburg. Der Anstieg wird mit einer herrlichen Aussicht ins Land und über alte Streuobstwiesen und wertvolle Magerrasen belohnt. Und auch die Kelten haben hier ihre Spuren hinterlassen. Hinunter geht es über den, schon in meiner Kindheit berühmten, 18 % Hügel. Der Name ist Programm. Zurück auf der Originalroute empfehle ich noch einen kleinen Bogen in Richtung Thüringen. Man kommt mit der ehemaligen innerdeutschen Grenze auf Tuchfühlung und der Blick wandert über einen alten Wachturm bis zur Veste Heldburg. An einer von zwei Quellen der Fränkischen Saale lassen sich prima die Füße erfrischen bevor es nach Alsleben geht. Man folgt grob dem Verlauf der Saale auf einem Radweg der auch für mich neu war. Bei Untereßfeld vereinigen sich die beiden Quellflüsse der Saale und man rollt durch ein idyllisches Fleckchen Erde in Richtung Bad Königshofen. Auf dieser Strecke war bereits mein Ur-Ur-Großvater mit dem Pferdeschlitten unterwegs um für das Gasthaus Bier von der Brauerei in Bad Königshofen zu holen.
Die sprechenden Papageien in der Vogelvoliere in Ipthausen standen diesmal nicht auf meinem Programm, für interessierte rentiert sich jedoch ein Blick in die Wallfahrtskirche Maria Geburt und auf ihr Deckengemälde. Auf der rechten Seite folgt nun erst der Natur-Heilwassersee der Frankentherme und dann der Gradierpavillion bevor es zum Dreh- und Angelpunkt der Acht geht: Dem Marktplatz von Bad Königshofen. Ehrlich und direkt gesagt geht die Innenstadt von Bad Königshofen seit Jahren vor die Hunde. Die politisch verantwortlichen scheinen von zeitgemäßer Stadtentwicklung und Baukultur keinen Schimmer zu haben. Und die Menschen treffen sich scheinbar lieber in den Bäckereifilialen der Supermärkte, die sich wie eine Schlinge um die Stadt legen, anstatt in der Innenstadt.
Vorbei an einem jener Supermärkte und Kleingärten geht es weiter nach Althausen bevor die wohl größte Herausforderung der Tour ansteht: Mit zweistelligen Steigungen hinauf zum Sambachshof. Auf Asphalt Bei Temperaturen um 30 °C. Wo bleibt eigentlich dieser Gravel? Nach etwa 20 km und einer Stunde fahrt kam hinter dem Sambachshof dann tatsächlich der erste Schotter. Und dass auch noch im angenehm kühlen Wald. Nur ein kurzes Stück später kam mir eine etwas verzweifelte Spaziergängerin mit jungem Mischlingshund entgegen. Ob ich weis wie es zurück zum Wanderparkplatz geht? Hier könnte man sich nicht verlaufen wurde ihr noch gesagt und so blieb das Handy im Auto liegen. Sie freute sich sehr über etwas Wasser und mit dem letzten Balken Handyempfang konnten wir erst einmal klären um welchen Wanderparkplatz es sich eigentlich handelt und wie es da hin geht. Es lag sowieso auf meiner Route und so gingen wir ein Stück gemeinsam. Fahrend hätte ich den kurzen Trail am Molkenbrunnen sonst wahrscheinlich verpasst. Kurz danach trennten sich auch unsere Wege wieder und ich rollte weiter über gut ausgebaute Waldwege. Es scheint allgemein ein feineres Material zum Einsatz zu kommen als es z.B. Hessen Forst verwendet. Als Alternative scheint ein Umweg über die Burgruine Wildberg lohnenswert zu sein
Aus dem Wald heraus ging es hinab nach Sulzfeld. Vorbei an der in den Startlöchern stehenden Beachparty, dem Badesee und wieder hinauf in den Wald. Vorbei am Annabild und auf schönen Schotterwegen wieder hinab in Richtung Merkershausen. Als Option bietet sich hier ein Abstecher zum jüdischen Friedhof an. Zurück in Bad Königshofen konnte ich meine Flaschen auffüllen und schlenderte, mit einem Eis in der Hand, ein Stück durch die Innenstadt. Die verlockenden Schaufenster beim Fellmann sorgten dafür, dass ich nun ein Opinel Picknick-Set für meine zukünftigen Bikepackingabenteuer und endlich einen Schlauch für unseren Entsafter vom Sperrmüll habe. Wie kann man nur ohne Taschen Fahrrad fahren?
Der nördliche Teil der Route ist zwar länger, aber dafür weniger fordernd. Auf Asphalt und Beton geht es über sanfte Hügel durch spätsommerliche Felder. Immer wieder gibt es Blick in die Ferne. Häufig mit den Gleichbergen im Hintergrund. Hinter Irmelshausen nähert man sich der ehemaligen innerdeutschen Grenze dann wieder auf Sichtweite. Aufgefallen ist mir das aber auch als „Einheimischer“ erst im Nachhinein auf der Karte. Positiv überrascht war ich vom folgenden Abschnitt durch das Naturschutzgebiet Poppenholz bis nach Breitensee. Ein für mich bis dahin völlig unbekannter Flecken auf dem mir direkt zwei Menschen in Bikepacking-Optik entgegen kamen. Die Ursprüngliche Route führt zwischen Breitensee und Trappstadt auf der Landstraße entlang. Der Verkehr ist dort überschaubar. Im Abenteuermodus habe ich mich jedoch entschlossen dem parallel verlaufenden Kolonnenweg zu folgen. Der Weg selbst ist gut zu befahren, kann jedoch durch weidende Rinder oder Schafe versperrt sein. Ich konnte mich gut zwischen Weidezaun und benachbartem Acker hindurchmogeln. Für alle mit mehr Interesse an Grenzerfahrungen im Grabfeld erscheint demnächst auf mein Bericht zur MTB-Tour auf dem Grenzgänger Wanderweg
Beim schreiben dieses Textes habe ich gemerkt wie sehr es mich teils aufgewühlt hat, altbekannte Orte durch eine völlig neue Brille zu betrachten. Deshalb liest es sich teilweise wohl auch etwas wirr. Insgesamt halte ich das Grabfeld nach wie vor für einen sehr schönen Landstrich. Auch für das Gravelbike. Und das schönste: Hinter der thüringischen Grenze geht es eigentlich noch viel weiter.
Zum Abschluss noch ein paar Tipps für Bad Königshofen:
- Kaffee, Kuchen und Eis klar bei Häcker’s in der Martin-Reinhard-Straße 11. Früher noch in besserer Lage, dafür jetzt mit falschem Apostroph. Alternativ Café Auszeit, Klosterstraße 4. Das hier vorher ein Bekleidungsgeschäft war lässt sich klar erahnen, aber Kaffee und Kuchen sind gut.
- Das Restaurant Schlundhaus. Insbesondere mit dem Biergarten im Hof.
- Eisen- und Haushaltswaren Fellmann. Für alle Freunde praktischer und gut sortierter Eisenwarenläden.
- Öffentliche Toiletten, auch für frisches Wasser, gibt es hinter dem Rathaus.